Mission Titelverteidigung – Ein Rennbericht zum (angeblich) härtesten Duathlon der Welt

Kategorien: Laufsportveröffentlicht am: 10. September 2022

Cornelius Weber bei der Duathlon WM in Zofingen (Fotos: Alpha Foto GmbH)

Unser Cornelius Weber berichtet von der Duathlon-Weltmeisterschaft auf der Langdistanz in Zofingen (Schweiz)

Cornelius Weber bei der Duathlon WM in Zofingen (Fotos: Alpha Foto GmbH)

Am 19. September 2021 kurz vor 17 Uhr habe ich völlig durchnässt und unterkühlt die Ziellinie des Powerman in Zofingen (Schweiz) erreicht. Knapp acht Stunden habe ich benötigt um die 9km-145km-26km zurückzulegen. Angegeben werden die Distanzen zwar länger, aber der Veranstalter ist nachsichtig mit den Teilnehmern. Schließlich müssen dabei über 2.500 positive Höhenmeter überwunden werden. Duathlon. Das ist Laufen, Radfahren und nochmal Laufen. Hört sich für Nichtschwimmer toll an, die im Triathlon nicht immer das Feld von hinten aufrollen wollen. Leider erfreut sich die Sportart heutzutage nicht mehr großer Beliebtheit. Daher gibt es nur wenige Veranstaltungen in der Saison. Das sorgt aber dafür, dass die einzelnen Wettkämpfe in der Szene großen Stellenwert haben. In Zofingen wird zum Beispiel jährlich die Weltmeisterschaft auf der Langdistanz ausgetragen. Diese Chance lässt man sich nicht entgehen! Da alle Altersklassen zusammen im Feld starten, gibt es häufig viele Rennen im Rennen. Hier den Überblick zu behalten ist nicht gerade einfach. Irgendwie habe ich es letztes Jahr dennoch geschafft, den Titel in meiner Altersklasse zu holen. Irgendwie trifft es ganz gut, denn der Kopf verdrängt mit der Zeit die Qual, die dafür nötig gewesen war. Allerdings kann ich mich sehr gut an meine Behauptung nach dem Wettkampf erinnern: Nie wieder!

Ein knappes Jahr später musste ich diese Behauptung revidieren. Warum sich Ausdauersportler solche Herausforderungen (mehrmals) antun, können Sportpsychologen sicher erklären. Zu meiner Verteidigung gab es dieses Jahr allerdings ein paar begünstigende Faktoren. Der Veranstalter hat den Wettkampf um zwei Wochen nach vorn geschoben. Statistisch gesehen sollten deutlich bessere Bedingungen herrschen. Die Statistik hat Recht behalten. Außerdem hatte ich acht Wochen gut trainiert und die Möglichkeit, nicht allein in die Schweiz reisen zu müssen. Also fuhr mein persönlicher Assistent (Thomas) und seine hervorragende Köchin (Elli) am Freitagmorgen, den 2. September mit mir in den Kanton Aargau. Da der Powerman Zofingen keine überlaufene Großveranstaltung ist, kann man problemlos außerhalb der Stadt übernachten. Kein unnötiger Stress bei der Anreise. Im abgelegenen ruhigen Apartment mit wundervoller Aussicht ins Tal hätte es sich auch ein paar Tage länger aushalten lassen. Aber es sollte ja kein Urlaub werden. Nachdem also die Beine bei einem kleinen Lauf und der Radstreckenbesichtigung von der langen Autofahrt gelockert wurden, stand dem Start am Sonntag nichts mehr im Weg.

Bei 16 Grad und herrlichem Sonnenschein fiel um 9:02 Uhr kurz nach dem Profifeld mein Startschuss. Von Aufregung diesmal keine Spur. Schließlich hatte ich mir einen Plan zurechtgelegt und wusste von der letzten Austragung was mich erwartet. Der erste Lauf startet mit einer 2km langen Passage bergauf. Das kommt mir entgegen. Ich konnte kontrolliert mein Tempo laufen und befand mich relativ weit vorn im Feld. Zwei Schweizer legten ein unglaubliches Tempo vor und wurden auch nie wieder gesehen. Zum Glück nicht in meiner Kategorie am Start. Bergab verlor ich immer etwas an Plätzen. Als Flachlandleipziger fehlt es hier eindeutig an guter Technik und Erfahrung. Trotzdem hatte ich einen Überblick bekommen und wusste um die Abstände meiner Hauptkonkurrenten. Obwohl ich im Vorfeld viel auf dem Rad gearbeitet habe, war mir bewusst, dass ich hier deutlich an Zeit verlieren werde. Vor und während des Rennens habe ich mir viele Gedanken über ausreichende Kohlenhydratversorgung gemacht. Erst nachdem ich eine Flasche auf dem Rad verloren hatte, ist mir aufgefallen, dass ich viel zu wenig Wasser getrunken habe. Leicht dehydriert musste ich auf der letzten Radrunde noch mehr zurückstecken, um den abschließenden Lauf nicht völlig in den Sand zu setzen. Daraus folgte, noch mehr Rückstand. Zwischenzeitlich betrug der Abstand knapp 30 Minuten nach vorn. Eigentlich aussichtslos, aber jeder der schon mal eine Langdistanz in Angriff genommen hat, weiß: Erst im Ziel wird abgerechnet. Also kein Grund zur Sorge. Beim Wechsel auf den zweiten Lauf fühlten sich die Beine noch recht gut an. Thomas gab mir die Abstände durch. Rückstand nach vorn: 21min. Alles oder Nichts. Ich habe mich für Alles entschieden. Auf der ersten Laufrunde konnte ich 6min aufholen. Das würde bei drei Laufrunden nicht ausreichen, also peitschten mich Thomas und Elli weiter an. Mit Erfolg, nach der zweiten Runde konnte ich weitere acht Minuten gutmachen. Inzwischen konnte ich den Belgier vorn sogar erkennen. Und der sah gar nicht gut aus. Leider ging es mir nun genauso schlecht. Die Beine krampften, der Kopf brummte wie verrückt und ich sehnte mich nach Wasser und Eis. Trotzdem kam ich der Führung immer näher. Also Zähne zusammenbeißen und eine Stelle bergauf suchen und mit Geschwindigkeit vorbeiziehen. Leichter gesagt als getan. Nach der nächsten Kurve kam sofort die erste Gehpause. Aber ich wurde nicht überholt. Also wieder langsam loslaufen und bis zur nächsten Verpflegungsstelle durchkommen. Eine gefühlte Ewigkeit verging bis dahin. Immer wieder Gehpausen. Hauptsache nicht stehenbleiben. An der vorletzten Verpflegung war der Ofen dann aus. Krämpfe an Stellen, von denen ich bisher nicht mal wusste, dass ich dort Muskulatur besitzen würde. Aber auch dann kann es weiter gehen. Man muss es nur fest genug wollen. Ich lag in Führung, das wollte ich nicht mehr hergeben. Das blaue belgische Nationaltrikot erschien hinter den Bäumen, das war mein Zeichen. Letzte Kräfte mobilisieren und irgendwie ins Ziel retten. Auf den letzten Kilometern der Laufrunde begegnet man sich immer wieder. Daher konnte ich die Abstände selbst kontrollieren. Und es sollte tatsächlich reichen. Thomas rastete aus und freute sich für mich mit. Ich hätte mich gern selbst gefreut und wäre jubelnd über die Ziellinie gerannt, aber es war wirklich nichts mehr übrig. Ich habe es tatsächlich geschafft und meinen Weltmeistertitel aus dem letzten Jahr verteidigt. Dafür habe ich vielen Menschen zu danken. Allen voran aber Thomas und Elli. Die beiden haben das verlängerte Wochenende für mich investiert und an der Strecke mitgefiebert, aber auch mit mir zusammen gelitten. Ich bin vorsichtig mit Aussagen nach dem Rennen geworden, aber ein Triple wäre schon ganz cool. (Cornelius Weber)

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